Mensch und Geld: Wer dient wem?

Wäre die Welt ein Dorf, in dem nur 100 Menschen leben und wohnen, stünde uns die tatsächliche Situation deutlicher vor Augen: 50 Menschen wohnen in Städten, 15 davon in Slums. 10 Personen leben mit einer Behinderung. 46 leben von weniger als 2,50 Dollar pro Tag, während die 20 Reichsten 90 Prozent aller Güter konsumieren.

Bereits 1990 schlug Donella Meadows, die als Co-Autorin an der Studie „Die Grenzen des Wachstums“ (Stuttgart 1972) des Club of Rome mitgewirkt hatte, vor, die Bezeichnung „globales Dorf“ für unsere Welt wörtlich zu nehmen, um besser verstehen zu können, wie es um die Grundlagen und Bedingungen unseres Lebens tatsächlich bestellt ist. Gehen wir danach davon aus, dass die gegenwärtige Situation, in der wir alle uns gemeinsam befinden, gewollt, mindestens aber bewusst geduldet ist?

Um Effekte der ungerechten Umverteilung zu dämpfen, bzw. auszumerzen, beschäftigte sich der Geld- und Finanzexperte Bernard Lietaer bereits in den 1990er-Jahren mit der Kombination einer global akzeptierten Verrechnungseinheit mit regionalen und sektoralen Komplementärwährungen (Anm. pk: Unabhängig geschaffene Währungen, die neben den Standardwährungen verwendet werden). Die Rechnungseinheit einer globalen Referenzwährung nennt er „Terra“ (lat. Erde), um damit auszudrücken, auf welche Deckung sich das Zahlungsmittel bezieht. „Die Einheit Terra wird definiert durch einen Standardwarenkorb von Gütern und Dienstleistungen, die im internationalen Handel besonders wichtig sind, und ihr relatives Gewicht in dem Warenkorb würde im Idealfall das Gewicht widerspiegeln, das sie im internationalen Handel haben.“ (Bernard Lietaer „Das Geld der Zukunft“, Gütersloh 1999) Die Währung Terra wäre in jede Landes- oder Komplementärwährung konvertierbar, und sie wäre inflationssicher, denn der Warenkorb wäre repräsentativ für den weltweiten Handel.

Tatsächlich ist das wichtigste Merkmal der vorgeschlagenen Terra-Währung ihre Deckung durch Waren und Leistungen, was für unsere gegenwärtig gültigen Standardwährungen nicht (mehr) gilt. Die 1844 durch die Bank of England eingeführte Bedingung, dass Banknoten in ihrem Wert zu 100 Prozent durch Gold oder Staatsanleihen gedeckt sein müssen, hielt lediglich bis 1973. Vorher, in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, führten Defizite in den Leistungsbilanzen vieler Länder und die Hochzinspolitik der Vereinigten Staaten zu großen Abflüssen der Goldreserven der Staaten. Aus heutiger Sicht vermutet man, dass die dadurch bedingte „Kontraktion der weltweiten Geldmenge“ zu den Verursachern der Weltwirtschaftskrise von 1929 gehörte. Von nun an wurde von immer mehr Staaten der Goldstandard abgeschafft. Als schließlich 1971 durch den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon die Golddeckung des US-Dollar vollständig aufgegeben, und 1973 die Währungskurse freigegeben worden waren, hatte eine neue Zeit begonnen, die zu ganz neuen Verhältnissen geführt hat.

Mit der Erholung und dem Wachstum der globalisierten Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten wuchs zugleich der Anteil rein spekulativer Vorgänge. Heutzutage beträgt der Anteil der Realwirtschaft an der globalen Menge umlaufenden Geldes nur noch 3,7 Prozent. Ein gewaltiger Mechanismus der Umschichtung von Geldwerten von Arm zu Reich wirkt nach wie vor ungebremst an diesem Missverhältnis. Für die 1.469 an Geld reichsten Menschen der Welt gilt, dass deren Konten jede Woche durchschnittlich 1 Million Dollar Zinserträge nur auf Barmittel gutgeschrieben werden. Ein faszinierender Vorgang, der der ungläubigen Masse einerseits den Atem verschlägt, andererseits auch deren Begehrlichkeiten und Arglosigkeit weckt. Es scheint so, als könne man ohne eigene Leistung Geld mit Geld verdienen. Tatsächlich ist es aber so, dass die Realwirtschaft von den Zinsansprüchen der zügellosen Spekulation überbelastet ist. Der Welt droht längst der ultimative Crash!

Die Umsetzung der Idee Bernard Lietaers von einer globalen Verechnungseinheit und vielen damit kombinierten Komplementärwährungen, beides durch tatsächliche Leistungen gedeckt, würde den Zwang zu exponentiellem Wachstum der Wirtschaft beenden. Geld würde zu seiner dienenden Funktion zurückgeführt. Statt vom sagenhaften Reichtum zu träumen, würden wir Menschen erkennen: Geld ist seinem Wesen nach ein Aspekt vom Gefühl für Wahrheit, über das jeder Mensch verfügt, um, selbstbestimmt, frei und gemeinsam mit anderen, Tauschvorgänge lebensgerecht gestalten zu können. Währungen – als eine mögliche Form des Geldes – können und sollen dem dienen.