Still und leise wird eine neue „Nation“ geboren

Beim so genannten „Himmel auf Erden“ handelt es sich um eine Parallelwelt, von der die meisten Menschen kaum etwas mitbekommen, weil sie weit abgehoben von den gewöhnlichen Lebensereignissen existiert und vor unbefugtem Zutritt gut abgeschottet ist. Hier, in diesem selbstgemachten Schlaraffenland-Kosmos, leben Menschen, die sich ihrer Machtpositionen durchaus bewusst sind.

 

Die kleine Gruppe der Superreichen, die weit abgehoben vom Rest der Welt ihre Netzwerke spinnt und sorgfältig pflegt, bezeichnet die Journalistin Chrystia Freeland gar als eine „neue virtuelle Nation des Mammons“. Und in einem Memo der Citi-Bank aus dem Jahr 2005 heißt es, dass „die Welt sich in zwei Blocks aufteilt: in die Plutonomie und in den Rest.“ (Quelle: Chrystia Freeland "The Rise of the New Global Super-Rich and the Fall of everyone Else", New York 2012)

 

 

Der vom Wissenschaftler Ajay Kapur 2005 geprägte Begriff „Plutonomie“ bezeichnet eine Ökonomie, in der das Wachstum durch die oberste, reichste Schicht angetrieben und kontrolliert wird. Freilich hat sich die oberste Schicht, der neue „Geldadel“, erst im Zuge der Umverteilung gebildet, die besonders seit den 1970er-Jahren um sich greift. Das waren die Jahre, in denen die Stagnation der Einkommen der Mittelschicht bei gleichzeitiger Bildung der Schicht der an Geld Superreichen besonders an Fahrt aufgenommen hatte. Das geschah noch vor der Revolution des Internet und zu einer Zeit, in der die Firmen Microsoft und Apple gegründet wurden, die für das bald einsetzende Computerzeitalter tonangebend werden sollten. Ebenfalls in den 1970er-Jahren wollten die Oberhäupter der damals führenden Wirtschaftsnationen mit der Gründung der G6 (heute G8) auf Probleme reagieren, die durch die Ölkrise und den Zusammenbruch des Wechselkurssystems von Bretton Woods entstanden waren. Mehr und mehr formierte sich ab jetzt eine Führungselite, die dem neuen Reichtum an Geld in den Händen weniger den Boden bereitete. Markig beschreibt Hans-Jürgen Krysmanski auf der Internetseite Telepolis rückblickend den seinerzeit einsetzenden Vorgang: Nach und nach wurde, bis in unsere Gegenwart hinein, die „Erde selbst in ein Refugium der Superreichen umgebaut, umgeben von einer Wüste der Exkludierten“. (Quelle: heise.de)

 

 

Was seither geschah, wurde kaum bemerkt. Es war nämlich gar nicht schwer, die Geburt der Nation Mammons für die meisten Menschen zu verbergen, denn der Umverteilung haftet ein Merkmal an, das für den eigentlichen Vorgang auch heutzutage noch verschleiernd wirkt: „Die Schräglage zugunsten der obersten Spitze ist so ausgeprägt, dass man gesamtwirtschaftliche Wachtsumszahlen nicht verstehen kann, ohne sie zu berücksichtigen. Wie bei einer Schule, deren gestiegener Notendurchschnitt der herausragenden Leistung einiger weniger Schüler zu verdanken ist, können die anschwellenden Vermögen ganz an der Spitze die Stagnation in tieferen Einkommensschichten maskieren. Dies zeigt sich zum Beispiel an der wirtschaftlichen Erholung der USA in den Jahren 2009 bis 2010. Die Gesamteinkommen stiegen in dieser Periode um 2,3 Prozent – sicherlich ein schwaches Wachstum, aber wesentlich stärker, als man angesichts der insgesamt düsteren Stimmung in dieser Zeit hätte erwarten können.“ (Chrystia Freeland in: "The Rise of the New Global Super-Rich and the Fall of everyone Else", New York 2012) Während sich die einen auf dem Weg zu den gebratenen Tauben und den Flüssen voller Milch und Honig durch Kuchenwände fressen, beißen andere derweil allerdings ins Gras. Das Leid der Vielen wird durch die Raffgier der Wenigen kaschiert und kaum jemand bekommt es mit. Gegenüber der Einkommensentwicklung der Superreichen stiegen die Bezüge von 99 Prozent der Amerikaner im gleichen Zeitraum nämlich nur um lediglich 0,2 Prozent. Ein Missverhältnis, dass einen der zündenden Funken für das Aufkommen der Occupy-Bewegung geliefert hat. Unverständnis und Unzufriedenheit mit der scheinbar unumkehrbaren Entwicklungsrichtung bezüglich der Umverteilung von Einkommen zugunsten weniger auf Kosten vieler könnten im Laufe von nur wenigen nächsten Jahren zu einem globalen Flächenbrand führen.