Back to the roots

Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, im brasilianischen Urwald eine entlegene, von der üblichen, modernen Zivilisation noch weitgehend unberührte Menschengemeinschaft besuchen zu dürfen. An dicht bewaldeten Hügeln, am Ufer eines Flusses ist dieses wunderbare Dorf gebaut, in dem es nichts von dem gibt, was unser Leben in den großen Städten und Ballungszentren bestimmt.

 

Für die Menschen dort mussten wir sehr merkwürdige Erscheinungen gewesen sein: mit festen Schuhen, wasserdichter Kleidung, ausgerüstet mit Taschenlampe, Kompass und Fotoapparat... Was mich, umgekehrt, vor allem sehr bald stark beeindruckt hat, war das Verhältnis der Menschen zu ihrem Leib. Von einer solch offensichtlichen Geschicklichkeit in allen Bewegungen und Handhabungen, einer solchen Harmonie zwischen Mensch und Natur sind wir, die wir ein hoch technisiertes Leben führen, Besorgnis erregend weit entfernt. Und diese Entfernung ist zugleich auch eine, die zwischen unserer Identität (unserem leiblichen Dasein) und unserer Individualität (unserem Selbst) besteht. Unser Verhältnis zu uns selbst, zu unserem „eigentlichen“ Wesen, das zuweilen als innere Stimme spricht, ist vermutlich gerade darum so angespannt, weil wir infolge aller Technisierung zu so sehr von der Natur entfremdeten Wesen geworden sind. Was uns im technisierten Teil der Welt umgibt, ist nicht mehr viel Natur, sondern vor allem eine künstliche Welt, die nicht sehr dazu geeignet ist, uns zu uns selbst zu führen.

Wir Menschen wachsen meistens (weil wir nicht in einem geschützten Urwalddorf aufwachsen) in ein Verhältnis zur Natur und zu unseren Mitmenschen hinein, das vom Konkurrenzdenken geprägt ist. Darin will jeder bestenfalls reich und reicher als andere sein, stark und überlegen hervortreten, – und die Natur beherrschen. Natur findet sich in solchem Lebensmodell zur Gegnerin degradiert, die unterworfen und ausgebeutet wird. Der persönliche Vorteil, der Gewinn, weit über den tatsächlichen Bedarf hinaus, ist das Ziel, mit dem wir einander von Kindesbeinen an vom wirklichen, natürlichen Leben entfremden. Natur in ihrer weitgehend unberührten Form gibt es in der Welt der Großstadtmenschen nicht mehr, womit unsere Kinder einer außerordentlich wichtigen Erfahrungsquelle beraubt sind. Und sogar auch was als „Erlebnispädogogik“ etikettiert ist, führt in den allermeisten Fällen nur noch in eine zum Abenteuerspielplatz degradierte Natur. Wie verändert sich der Mensch selbst, indem er sein Verhältnis zur Natur so korrumpiert?