Die Veränderungen der Welt, ihr Wandel umfasst stets alles und alle. Auch wir selbst sind in die Ereignisse der Wandlung einbezogen und bringen sie sogar selbst mit hervor. Dafür wirkt ein Prozess, der sich aus unserer Verbindung mit der Welt ergibt, in den wir existenziell immer einbezogen sind, solange wir im Hier und Jetzt leben und Bedürfnisse entwickeln.
Jedes davon, ob Hunger, Durst, Ermüdung, Wissbegier oder was auch immer, verbindet uns mit der Welt. Normalerweise ist es unser Wohlgefühl, das uns separiert sein lässt. Wir fühlen uns gesättigt, entspannt oder ausgeschlafen „ganz bei uns selbst“. Es ist dem Zustand der Gesundheit ähnlich, in dem wir unseren Leib, anders als während einer Erkrankung, nicht spüren. Demgegenüber drängt und fordert jedes Bedürfnis irgendwann, ist dann nicht mehr zu ignorieren und führt schließlich zu einer Gelegenheit, die Abhilfe verheißt.
In jeder Befriedigung eines Bedürfnisses dient uns irgendwer oder irgendwas in der Welt. Recht besehen ist jeder solcher Moment dazu geeignet, uns darüber Klarheit zu verschaffen, dass wir allein, ohne die anderen Lebewesen und die Natur, nicht existieren können. Schon jeder Laib Brot weist darauf hin, denn die ganze Welt, die ganze Großartigkeit der Natur ist in ihm konzentriert. Ebenso weist er auf die Gaben anderer hin, die das Getreide gesät, geerntet und verbacken haben. Leben, das ist eine simple, gut zugängliche Erkenntnis, ereignet sich immer „zu Lasten“ anderen Lebens. Eine ganzheitlich-holistische Sicht auf die Welt als Tor zu mitweltlichem Leben wird vor dieser Erkenntnis nicht zurückschrecken, sondern, im Gegenteil, sie verinnerlichen und in die eigene Lebensart integrieren. Wir Menschen sind (und bleiben) niemals nur soziale, teilende Wesen, sondern zugleich auch solche, die antisozial und auf Kosten anderer leben. Das zu übersehen wäre außerordentlich naiv.
Nicht wenige Menschen macht es allerdings berechtigt traurig, wenn nicht sogar verzweifelt, dass ihr eigenes Leben immer die Inanspruchnahme und sogar die Zerstörung anderen Lebens voraussetzt. Wenn jemand mit einer vegetarischen bzw. veganen Ernährungsweise lebt, wird er aus seiner Sicht das Bestmögliche für die Akzeptanz tierischer Würde tun. Dennoch hat er damit die Grenze lediglich etwas weiter verschoben, die wir selbstverständlich achten, wenn es um das Wohl unserer eigenen Art geht. Aber ein vegetarisch oder vegan lebender Mensch ernährt sich. Ist es denn tatsächlich, mitweltlich betrachtet, wirklich beruhigend, wenn jemand Pflanzen tötet und Tiere verschont? Ein Mensch kann für sich zwar diesen Unterschied machen, an der Tatsache, dass Leben nur zu Lasten anderen Lebens bestehen kann, ändert das prinzipiell nichts.
Albert Schweitzer schrieb: „Die Welt ist das grausige Schauspiel der Selbstentzweiung des Willens zum Leben. Ein Dasein setzt sich auf Kosten des anderen durch, eines zerstört das andere. (…) Auch ich bin der Selbstentzweiung des Willens zum Leben unterworfen. Auf tausend Arten steht meine Existenz mit anderen in Konflikt. Die Notwendigkeit, Leben zu vernichten und Leben zu schädigen ist mir auferlegt.“ (Albert Schweitzer „Kultur und Ethik“, München 1923) In diesen „zerstörenden“ Prozess führen uns unsere Bedürfnisse unweigerlich hinein. Es ist nicht möglich, dem auszuweichen. Wir nehmen in vielen Formen die Welt zu uns, ob als Ernährung, als Baustoffe für unsere Häuser und Maschinen, als Atemluft usw. Damit „konsumieren“ wir anderes Leben, um das unsrige zu erhalten. Das für sich genommen wäre sträflich und mit nichts wieder gut zu machen, wenn wir nicht durch bewusste Dankbarkeit und wohlerwogenes Handeln unseren eigenen Beitrag zum Fortgang der Welt leisten würden. Der aktiv in unserem Handeln gewollte Wandel aller Welt ist ein Ziel, zu dem wir als bedürftige Wesen durch unseren Konsum hindurch geleitet werden. Das lindert zwar nicht den Schmerz, erleichtert aber seine Integration.