Trautes Heim, Glück allein

Gegenwärtig wird von den Banken in Deutschland eine Politik der niedrigen Zinsen verfolgt. Der Erwerb von Immobilien wird angekurbelt, was den Markt zu einem der Verkäufer macht: Die gestiegene Nachfrage steigert die Verkehrswerte teilweise weit über die tatsächlichen Sachwerte hinaus.

Dass dadurch der Zinsvorteil neutralisiert wird, ist nur den wenigsten klar. Hinzu kommt, dass nun auch hierzulande Kredite von 120 Prozent der (überteuerten) Immobilienwerte vergeben werden. Was meinen Sie, warum das geschieht? Es wird nun auch in Deutschland mit den gleichen Methoden wie einst in den USA ganz bewusst eine Immobilienblase aufgebaut! Sollte der Irrsinn hierzulande dennoch nicht in die Katastrophe führen?

 

Die Superreichen haben auch für sich selbst das „Betongold“ entdeckt. Selbst wenn der unwahrscheinliche („unwahrscheinlich“ war bis 1986 auch der SuperGAU in einem Atomkraftwerk) Fall des Zusammenbruchs des globalen Geldsystems einmal eintreten sollte sind die in Immobilien investierten Kapitalien ja keine liquiden. Die Wellen des Zusammenbruchs würden sie darum nicht treffen, denn sie sind kein Geld mehr, sondern Beton und Eigentumsrechte, die von einem totalen Wertverlust der Standardwährungen verschont blieben. Das löst, weil es dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen entspricht, Investitionswellen aus, die den Immobilienmarkt für alle Zeiten verändern. Man könnte sagen: Superreiche kaufen sich zur Zeit die Welt! Wie das?

 

In Oxfort beispielsweise ist der Medianwert einfacher Einfamilienhäuser in wenigen Jahren von drei durchschnittlichen Jahreseinkommen auf elf gestiegen. Fast niemand unter den Normalverdienern kann es sich mehr leisten, in Wohneigentum zu leben. Das aber entspräche der Gewohnheit in Großbritannien, die gegenwärtig gezielt verändert wird: Im Jahr 2032 sollen die meisten Menschen schließlich in gemieteten Wohnungen und Häusern leben, die sich im Eigentum weniger Superreicher befinden. London ist unter diesen Vorzeichen für Normalverdienende schon nahezu unbewohnbar geworden, so hoch sind die Mieten bereits. Ausländische Spekulanten, vornehmlich aus Russland, China und dem Nahen Osten, treiben die Preise; bereits 70 Prozent aller neuen Immobilienobjekte wurden von ihnen gekauft. So genannte „Soziale Säuberungen“ ermöglichen den Abriss günstiger Wohnungen, um Platz für die neuen Paläste zu schaffen. Mutmaßlich führt die aktuelle Entwicklung zurück in alte viktorianische Verhältnisse. Das weiß auch Kevin Green, ein Immobilientycon der neuen Sorte, der in Seminaren und Workshops für künftige Millionäre predigt, dass man sich seines Rechtums bloß nicht schämen soll, und feststellt: „Wer einmal Erfolg hatte, der will immer mehr davon!“

 

Die Entwicklung brutaler Umverteilung führt dazu, dass die Mittelschicht verschwindet. Die „Sanduhr-Gesellschaft“ zeichnet sich immer mehr als Wirklichkeit ab. Das aber zerrüttet das soziale Gefüge unserer Gesellschaft, und sogar der Kapitalismus gerät infolge in Gefahr. Thomas Pikkety, selbst Milliardär, weiß um diese Gefahr, beklagt die diesbezügliche Untätigkeit der Parlamente. Und er fordert sogar hohe Vermögenssteuern, denn nur so könne die Stabilität der Staaten – ergo auch die Basis der Supervermögen – gesichert werden. Der Milliardär und Risikofinanzier Nick Hanauer, Bettenwarenfabrikant und Leadinvestor von Amazon, verbreitet die selbe Botschaft: Die Mittelschicht muss unter allen Umständen kurz vor ihrem Exitus noch gerettet werden. Sie ist der Humus, in den der Superreichtum immer tiefere Wurzeln treibt. Dafür fordert er z.B. erbittert die Anhebung des Mindestlohns in den Vereinigten Staaten auf 15 Dollar die Stunde, weil er weiß: Nur wenn viele Menschen viel konsumieren, bleibt der monetäre Zustrom zu den Superreichen gewahrt.

 

In nicht weit zurück liegenden Zeiten glaubten die Menschen in der Nachkriegswelt der 1950er bis 1970er-Jahre noch fest daran, dass persönliches Eigentum die Teilhabe an jenem Wohlstand sichern könnte, der auf der Nordhemissphäre der Erde wie von Geisterhand gesteuert wuchs und wuchs. Der ansehnliche Besitz an Gut und Gütern schien für alle und jeden erreichbar. Nötig waren dafür nur unablässiger Fleiß und Sparsamkeit. Das sorglose Leben schien stets in greifbarer Nähe zu sein. Heutzutage hat sich an dieser Grundeinstellung wenig geändert, aber die Bedingungen sind gänzlich andere geworden. Wer sich heute anschickt, ein Vermögen aufzubauen, das noch vor wenigen Jahrzehnten mit einem überschaubaren Teil einer einfachen Lebensleistung durchaus erreichbar war, tappt in eine Falle. Es ist wie mit dem Kaugummi: Auch die Erfindung einer auf immer höhere Schulden aufgebauten Bereicherungsmaschine ist von den USA nach Europa geschwappt. Hier und heute finanzieren Banken Immobilienkäufe auch ohne vorhandenes Eigenkapital mit Krediten von 120 Prozent der weit überhöhten Preise. Bis zur gänzlichen Tilgung vergeht für Normalverdienende ein Zeitraum, der über das aktive Erwerbsleben schon mal hinausreicht. Junge Eltern verpfänden bei Aufnahme des Darlehens also sogar noch ihre Rente. Das verändert das Klima des Zusammenlebens in seinen Tiefenschichten. Der Kampf ums Überleben ist das dazu gehörige Folgephänomen.