Grenzen beachten

Wir Menschen wissen schon lange, dass die Welt begrenzt ist. Ressourcen und Lebenskräfte stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung. Fruchtbare Böden, Wälder, das Wasser, Mineralien und was auch immer – es gibt in dieser Welt nur eine bestimmte Menge davon, und keine Macht der Welt kann daran etwas ändern. Ergo sollten wir mit Bedacht damit umgehen.

Aber das tun wir nicht, denn wir haben – besonders in den vergangenen zweihundert Jahren – für unser Leben ein System geschaffen, dass darauf beruht, dass die Grenzen des Wachstums fortwährend ignoriert werden. Der französische Ökonom und Philosoph Serge Latouche wird nicht müde auf diese Kalamität hinzuweisen: „Unsere Gesellschaft hat ihr Schicksal an eine Organisation geknüpft, die sich auf unbegrenzte Anhäufung gründet. Es ist ein System, das zum Wachstum verurteilt ist. Sobald sich das Wachstum verlangsamt, sobald es stockt, stürzen wir in eine Krise, bricht Panik aus. (…) Arbeitsplätze, Renten, Staatsausgaben (Bildung, Sicherheit, Justiz, Kultur, Verkehr, Gesundheit etc.), sie alle setzen die ständige Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) voraus.“ (Serge Latouche „Es reicht“, München 2015)

Dabei ist nicht nur die Vorstellung von einem unbegrenzten Wachstum in einer begrenzten Welt absurd, sondern auch die (durch das Geldsystem und seine Eigenschaft von Zins- und Zinseszins) geforderte exponentielle Steigerungsrate: „Bei einer jährlichen Steigerungsrate des Bruttoinlandsprodukts von 3,5 Prozent (durchschnittliche Steigerung in Frankreich zwischen 1949 und 1959) erhöht sich die Wirtschaftsleistung im Verlauf eines Jahrhunderts auf das 31-Fache und in zwei Jahrhunderten auf das 961-Fache! Mit einem Wachstum von zehn Prozent, wie es in China zu beobachten ist (bzw. war), erhält man eine Steigerung um das 736-Fache in nur einem Jahrhundert.“ (Serge Latouche „Es reicht“, München 2015) Dass das so nie und nimmer funktionieren kann, ist jedem Menschen schnell klar. Aber: Wir sind durch die von uns selbst geschaffenen Systemgewalten des Geldes darauf angewiesen, diese große Illusion, wider jede Vernunft, für wahr zu nehmen. Wollen wir in der gewohnten Art und Weise weiterleben, müssen wir darauf vertrauen, dass das Unmögliche tatsächlich funktioniert. Das gelingt solange, bis uns eine (unvermeidliche) Krise jäh erwachen lässt.

In Krisen lösen sich Gewohnheiten auf. Auf dem finanzwirtschaftlichen Feld brechen, wenn die Krisen ein gewisses Ausmaß annehmen, nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Firmen, Banken und Staaten zusammen. Damit ist schlagartig alles dahin, worauf wir Menschen so gern unser Gefühl von Sicherheit gründen. Die Basis unseres Vertrauens ist plötzlich weg – und, viele Beispiele zeugen davon, wir erwachen wieder für das eigentlich Wesentliche. Der wirkliche Wert des Wenigen tritt zutage, wenn das Viele nicht mehr verfügbar ist. Empathische Zuwendung verbindet Menschen, nachdem ihnen die Möglichkeiten der Übervorteilung genommen wurden. Das frische Wasser einer sprudelnden Quelle ist einem Dürstenden plötzlich sehr viel mehr wert als alles Gold und Geld der Welt.