Erwarten des Möglichen

Schon im alten Griechenland erkannte Plato neben dem Wahren und Falschen noch einen dritten Bereich, der weder dem Wahren noch dem Falschen zuzuordnen ist. Ein junger Erwachsener zum Beispiel ist zwar „noch“ jung, aber auch „schon ein bisschen“ alt. Zwischen dem „entweder-oder“ treffen wir auf ein „sowohl-als-auch“, in dem sich das Leben ereignet. Eine besondere Herausforderung besteht darin, diesen Bereich, der nur annähernd logisch ist, zu fassen.

 

Würden wir ein schmutziges Hemd in eine Waschmaschine legen und selbige starten, würde ein Programm ablaufen, für das angenommen wurde, wie schmutzig ein Hemd durchschnittlich ist, wenn es gewaschen wird. Wie schmutzig ein Kleidungsstück tatsächlich ist, „weiß“ die Waschmaschine nicht. Da sich im Leben – übrigens auch im Bereich der Technik – nicht alles „entweder so oder so“ ereignet, da es immer zu Ereignissen und Entwicklungen kommt, die vorher logisch nicht vorhersehbar waren, entwickeln sich Störungen und Konflikte. Und wie kann man die nun verstehen und regulieren? Könnte man eine U-Bahn über große Strecken mit vielen Haltestellen und immer verschiedenen Fahrgastzahlen, also gänzlich verschiedenen Ein- und Ausstiegszeiten, vollautomatisch fahren lassen? Gibt es überzeugende, prinzipiell überall anwendbare Strategien, soziale Konflikte zu vermeiden bzw. zu schlichten, die immer wieder und überall aufbrechen, weil wir Menschen eben alle grundverschieden sind? Lässt sich eine Waschmaschine konstruieren, die den Verschmutzungsgrad der eingelegten Wäsche erkennt und danach ein jeweils angepasstes Programm ablaufen lässt?

 

Während bei den bekannten Waschmaschinen das postulierte Optimum konstruktiv vorgegeben ist, würde eine „intelligente“ Waschmaschine selbiges, dem konkreten Bedarf folgend, immer wieder neu errechnen. Wir Menschen funktionieren in aller Regel so, jedenfalls solange man uns lässt. Wir sind, im Gegensatz zur Maschine, in der Lage, angepasst zu reagieren und sind aber gleichzeitig auch unfähig dazu, einander vollständig gleich zu sein. Insofern gehören Konflikte zu unserem Leben, wie die Kerzen zum Weihnachtsbaum. Das Leben selbst bereichert uns mit Konflikten, mit Streitereien und Auseinandersetzungen – weil es, jedenfalls auf dem derzeitigen Stand der Evolution, gar nicht anders geht. Wir werden dadurch sozusagen aus den Entweder-Ordnungen herauskatapultiert. Diese Art des Reichtums veranlasst uns Menschen immer wieder dazu, ganz anders als gewohnt oder erwartet zu reagieren. Wir leiten unser Handeln dann nämlich bestenfalls nicht daraus ab, wie wir sind (bzw. bis auf den heutigen Tag geworden sind), sondern daraus, wie wir werden können. Dazu helfen uns die ansonsten sehr verschiedenen Mitmenschen, soll heißen, die Konflikte, die wir lösen, wenn und wo wir anders als gewöhnlich, eben unlogisch handeln.