Begreifen, was genug ist

Wollen Sie der Mensch sein, der Sie jetzt sind? Um diese Frage beantworten zu können, werden Sie sich eine einigermaßen gute Vorstellung von ihrem bisherigen Leben und dessen gegenwärtigen Wirkungen bilden müssen. Wie gut kennen Sie sich selbst?

Wie klar sind Ihre Eindrücke davon, wie Sie als Person und durch die Art Ihrer Lebensführung auf Ihre Umgebung, andere Lebewesen, Lebenszusammenhänge, Mitmenschen wirken, bzw. im Laufe der bisherigen Jahre Ihres Lebens gewirkt haben? Wissen Sie darüber genug? Was meint der „Wagner“ in Ihnen: Weiß er zwar viel, will aber dennoch alles wissen? Und: Glauben Sie, dass der Grad der diesbezüglich möglichen Erkenntnis tatsächlich von der Menge des Wissens abhängt, das Ihnen zur Verfügung steht?

Was jetzt erst mal befremdlich wirkt (Wann fragen wir uns schon mal in diesem Sinne nach uns selbst?) ist von großer Bedeutung, schon einfach deshalb, weil wir durch derartiges Nachdenken an unserem willentlichen Verhältnis zur Welt zu arbeiten beginnen. Versuchen wir zu pointieren: Wir verfügen, jedenfalls soweit mit uns gesundheitlich alles in Ordnung ist, über einen guten Sinn für das Genug, wenn es um unseren Leib geht. Genug Schlaf, Ruhe, Nahrung... Das vermögen wir, wie selbstverständlich, einzuschätzen, weil uns jedes Zuviel oder Zuwenig sofort direkt fühlbare Probleme bereitet.

Bezüglich unseres Eigentums wird es etwas komplizierter, wenn wir nach dem Genug fragen. Zunächst stoßen wir da auf die menschenrechtliche Dimension, die uns darüber klar sein lässt, dass es ein minimales Versorgtsein gibt, das eine Existenz überhaupt erst ermöglicht. Darüber entscheidet sich sehr elementar, was genug Nahrung, Obdach, Bildung, Gesundheitsversorgung usw. ist. Dieses Genug wird heutzutage wider besseres Wissen durch die faktisch bestehende, systembedingte Verteilungsungerechtigkeit in riesigem Ausmaß erschüttert. Außerhalb dieser menschrenrechtlichen Dimension, und oberhalb des existenziell Minimalen haben sich Gewohnheiten und Lebensstile entwickelt, in denen es zunehmend schwerer wird, das rechte Maß für sich selbst zu finden und zu realisieren. Sie und ich gehören zu jenem Teil der Menschengemeinschaft, für den das gilt. Wie viel Geld, Boden, Technik, Politik, Schmuck, Sport, Vermögensgegenstände, Freizeit, Wissen, Kommunikation, Religion usw. ist für uns denn nun genug? Mögliche Antworten darauf ergeben sich, insofern uns bewusst wird, was wir mit unserem Besitz tun wollen, was wir damit bewirken wollen, und welche Folgen unsere persönliche Lebensweise für andere hat.

Indem also in der richtig gestellten Frage nach dem Genug Selbst- und Welterkenntnis miteinander verbunden werden, zeigt sich ihre eigentliche Dimension, denn zwei Bereiche unseres Leben, die in der Welt der Megamaschine getrennt sind, finden wieder zueinander. Ein Bewusstsein davon, was mit einem Besitz getan werden soll (Ökonomie) und wie das wirkt (Ökologie) vermittelt jenen Eindruck von jenem Genug, das für uns Menschen auskömmlich und für unsere Mitwelt verträglich ist. Darin können wir in Zukunft menschlich Mensch sein.