Bernard Lietaer »Shift« (Rezension)

Als Menschheit zukunftsfähig werden

 

Die allgemeine Problemlage, in der wir uns als Menschheit gegenwärtig befinden, ist bedrängend. Was ist zu tun? Der belgische Finanzexperte Bernard Lietaer hat noch kurz vor seinem Tod drei Paradigmenwechseln ein Buch gewidmet, das nun auch in deutscher Sprache erschienen ist.

Im hochindustrialisierten und -technisierten Teil der Welt beruht der ökonomische Erfolg auf einer weit entwickelten Effizienz. Immer mehr wir für immer weniger Geld verfügbar. Diese Einseitigkeit ist nicht nachhaltig, weil, so Lietaer, alle lebenden Systeme optimal in einem Gleichgewicht zwischen Resilienz und Effizienz existieren. „Resilienz und Effizienz sind im Wesentlichen komplementäre Kräfte, denn die Rationalisierung, die die Effizienz erhöht, verringert automatisch die Resilienz. Im allgemeinen bedeutet also mehr Effizienz weniger Resilienz und umgekehrt bedeutet mehr Resilienz weniger Effizienz. Die Herausforderung besteht darin, das Gleichgewicht zu finden, dass das Fenster der Lebensfähigkeit definiert.”

 

Den Begriff der Komplementarität leitet Lietaer aus dem Taoismus ab, mit dem er das Primat der aristotelischen Logik ergänzt. Nicht das Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-auch wird im Sinne eines ersten Paradigmenwechselns zur leitenden Idee. „Die Kernbotschaft ist, dass – obwohl jede Seite des Paars offensichtlich eine separate Kraft ist – das Paar auch Teil einer einzigen letztendlichen Einheit ist, des Tao, und daher braucht jedes sein Gegenteil, um zur Ganzheit zu gelangen. Mit anderen Worten: Es kommt auf das Gleichgewicht zwischen den beiden an, nicht auf das eine oder das andere.” Das nun wieder leitet zum zweiten Paradigmenwechsel, der darin besteht, ein Gleichgewicht zwischen dem Matrifokalen und Patrifokalen entstehen zu lassen. Die Problematik ist nicht zu übersehen: „Die Erziehung und unser soziales Umfeld lehren die Menschen, ihre mütterlichen Werte zu unterdrücken,” schreibt Lietaer und gibt ein paar (sehr praktische) Ausblicke auf ein Leben, in dem das nicht mehr so ist.

 

Ein dritter Paradigmenwechsel bezieht sich auf die moderne webbasierte Informationswelt. Hier fordert Lietaer ein konsequentes Eigentum aller Menschen an ihren privaten und persönlichen Informationen. Tim Berners-Lee, der „Erfinder des World Wide Web” wird zitiert: „Wir haben gezeigt, dass das Web gescheitert ist, anstatt der Menschheit zu dienen, wie es eigentlich hätte sein sollen, und das es an vielen Stellen gescheitert ist… Die zunehmende Zentralisierung des Webs hat dazu geführt, dass – ohne dass die Menschen, die die Plattform entworfen haben, etwas dagegen unternommen haben – ein groß angelegtes emergentes Phänomen entstanden ist, das gegen den Menschen gerichtet ist.”

 

Das Buch ist dünn und lässt sich schnell lesen. Aber es ist zugleich inhaltsvoll, insofern es mit wenigen Strichen das große Lebenswerk Lietaers vollendet. Die Darstellungen sind eingängig und laden zur praktischen Umsetzung ein. Menschen, denen der notwendige Wandel ein Anliegen ist, sei dieses Büchlein empfohlen. Es macht Mut, weil es aufzeigt, was für ein gutes Leben getan werden kann!

 

Bernard Lietaer (Et al.)

„Shift – Drei Paradigmenwechsel, die wir vollziehen müssen, um zukunftsfähig zu werden”

Neue Erde Verlag

ISBN 978-3-89060-830-3

Klappenbroschur, 128 Seiten, 14,6 x 20,8 cm

16,00 € (D)/16,50 (A)