Jedes Leben ereignet sich in biologisch vorgegebenen Rhythmen und Bedürfnissen. Im Großen und Ganzen trägt die Natur dem Rechnung, insofern ein jedes Lebewesen optimal im Gesamtsystem existieren kann. Systemische und individuelle Lebensprozesse in einer naturbelassenen Ordnung widersprechen sich nicht.
Nun ist es aber so, dass der Mensch aufgrund seiner besonderen geistigen Fähigkeiten in die vorgegebenen Rhythmen und Bedürfnisse eingreifen kann. Dadurch schert er aus der natürlichen Ordnung aus. Er lernte beispielsweise das Feuer zu handhaben und konnte darum die ganze Welt besiedeln. Und weil er willkürlich Zukunft zu denken vermag, fertig er nicht nur Werkzeuge für den augenblicklichen Bedarf, sondern auch Maschinen, mit denen viele Arbeiten hocheffizient und von ihm unabhängig verrichtet werden können.
Die meisten direkten Folgen des natürlichen Lebens (Hunger, Durst, Schlaf, Jahreszeiten, Wetter usw.) können wir Menschen aufgrund der mittlerweile entwickelten technischen Systeme sehr weitgehend gestalten und beherrschen. Das ist inzwischen sogar so perfektioniert, dass wir zugleich dazu neigen, die indirekten Folgen unseres Lebens zu unterschätzen. Wir erliegen der Illusion, sie ebenso perfekt handhaben zu können wie die direkten Folgen. Dem liegt ein überzogener Glaube an Wissenschaft und Technik zugrunde.
Bedenkenswert bleibt allemal, dass unsere Lebensart viele indirekte Folgen zeitig, die erst künftige Generationen betreffen werden. Wir wissen ja nur zu gut, dass unsere heutigen Lebensverhältnisse durch das Verhalten vorangegangener Generationen bestimmt wurden. Aber was können wir daraus lernen?
Unsere heutige Welt ist den vergangenen 200 Jahren sehr weitreichend zu einer anderen geworden. Die industrielle Revolution bewirkte einen Wandel, der alle Bereiche unseres alltäglichen Lebens betrifft. Städte und Metropolregionen wuchsen, Fabriken wurden gebaut und die Wirtschaft globalisiert. Für unseren Konsum steht – ganz besonders in den hochtechnisierten und -industrialisierten Ländern der Nordhemisphäre – eine schier unendlich vielfältige Angebotspalette zur Verfügung. Hinzu kommt, dass industriell gefertigte Güter zu so geringen Preisen verfügbar sind, wie man es sich in früheren Zeiten gewiss noch nicht vorstellen konnte. Heutzutage leben die meisten von uns wie die Könige und Königinnen von einst. Zeitgleich stieg – auch infolge der erreichten Fortschritte im Gesundheitswesen – die Lebenserwartung. Und nun gibt es nicht nur sehr viele Menschen, sie leben auch noch viel länger. All das ist unter ökologischen Gesichtspunkten betrachtet nicht unproblematisch. Nicht allein die Belastung der natürlichen Systeme ist nunmehr zu einem Problem geworden, sondern auch die Wirkungen auf das Bewusstsein der Menschen sind bedenklich. Weil wir Heutigen Natur so gut wie gar nicht mehr direkt erleben, sind unsere Instinkte für das Zusammenleben mit ihr verkümmert. Wir leben unser Leben, ohne viel darüber nachzudenken, welche Folgen das für unsere Mitwesen hat. Verglichen mit dem erreichten technischen Fortschritt haben wir bezüglich unseres Bewusstseins tatsächlich einiges nachzuholen.
Unter den Ureinwohnern Nordamerikas gibt es die aus alten Zeiten überlieferte Kultur des Sieben-Generationen-Gewahrseins, die dazu anregt, sich vor jeder wichtigen Entscheidung der Wirkung für künftige Generationen bewusst zu werden. Tatsächlich können wir davon sehr viel lernen. Stellen Sie sich mal in einer stillen Stunde die folgende Frage: Wie will ich leben, wenn ich in 200 Jahren geboren werde? Aus der Antwort ergeben sich vermutlich schnell Konsequenzen, die Ihr augenblickliches Leben ziemlich verändern könnten!