Leseprobe und Inhaltsverzeichnis zu:

Peter Krause (Text und Tuschezeichnungen) und Roman Jäkel (Fotografien)

Die Sprache der Gärten

Kulturgeschichte | Umweltkulturpark in Dortmund | Chinesischer Garten in Bochum

 

Hier ein kleiner Auszug aus dem Kapitel:

 

Der Garten

 

Gärten sind ein besonderer Ausdruck für die Entwicklungsgeschichte der Menschheit. Nach dem Ende der letzten Eiszeit und seit Beginn der Sesshaftwerdung entstanden die ersten von ihnen. Es wurden Flächen geschaffen, die man vor nicht gewünschten Einflüssen der Umgebung schützte, um ungestört die benötigten Nahrungsmittel anbauen zu können. Aus heutiger Sicht war das ein ebenso bedeutender Schritt wie die Schaffung fester Wohnsitze durch den Bau von Häusern. Was genau die Menschen dazu veranlasste, sich, vornehmlich in den fruchtbaren Mündungsgebieten der Flüsse, dauerhaft niederzulassen, lässt sich nicht sagen. Aber es kam auf diese Weise zu einem Bruch mit der bis dahin typischen Lebensweise, die von den Menschen vorher durch hunderttausende Jahre hindurch gepflegt worden war. Das Jäger- und Sammlertum verlor von nun an zunehmend an Bedeutung, während die Entwicklung der Garten- und Landwirtschaft immer weiter voranschritt.

Signifikant ist nicht nur die Außenseite der einsetzenden Veränderungen, die durch Häuser, Siedlungen und eben auch Gärten in Erscheinung trat, sondern auch die ganz andere innere Haltung der Menschen gegenüber der Welt. Es ging ab jetzt nämlich nicht mehr nur darum einfach hinzunehmen was man hier und dort vorfand. Nun begann man, die Welt nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, insofern man nicht mehr nur nach Orten suchte, an denen benötigte Nahrungsmittel zu finden waren, sondern indem man als Gärten solche Orte in unmittelbarer Nähe zum selbstgewählten Wohnort selbst schuf.

In solchen Refugien begann man bald sogar auch damit, besonders ertragreiche Pflanzen zu züchten und Wildtiere zu domestizieren. Die Menschheit nahm in die eigene Hand was vordem allein der Natur oblag.

 

Entstehung und Entwicklung der Gärten

Wie sich im Laufe der Zeit die menschheitliche Kultur entwickelte, so veränderten sich auch die Gärten. Im alten Ägypten, wo sie in schmalen Streifen fruchtbaren Lands entlang des Nil angelegt waren, wuchsen Obstbäume, Wein und Gemüse. In Persien wurden, beginnend im 5. Jahrhundert v. Chr., künstlerisch gestaltete Ziergärten angelegt, in denen sich Bäume Blumen und Brunnen in prachtvollen Arrangements fanden. In Griechenland schuf man ähnliche Gärten sowie in der Nähe heiliger Quellen Baumhaine, in denen sich die Menschen begegneten und den Gedankenaustausch pflegten. So lässt sich nachvollziehen, wie die Gärten zu Begegnungsorten wurden, deren diesbezügliche Bedeutung nicht hoch genug geschätzt werden kann: sie ließen die Natur zum Lehr- und Lernort werden.

Etwa zum Beginn der christlichen Zeitrechnung waren die Gärten zu einem direkten Ausdruck der gesellschaftlichen Stellung und geistigen Haltung ihrer Besitzer geworden. In Rom wurden neben Nutzgärten, in denen man mittlerweile auch Heilpflanzen anbaute, hier und da reine Lustgärten angelegt, und zu den Häusern der Wohlhabenden gehörten Atrien, die, üppig bepflanzt, den Wohlstand der Bewohner repräsentierten. Gärten wurden mehr und mehr zu einem Teil der Architektur. Man richtete Häuser so aus, dass man durch die Fenster direkt in den Garten schaute. Vom antiken Griechenland hatte man das Peristyl, einen rechteckigen, von Säulen umgebenen Hof, übernommen und in der römischen Architektur zur Grundlage eines Gartenperistyls gemacht, das sich bei repräsentativen Häusern bald großer Beliebtheit erfreute. Solche, in die Architektur der Villen integrierte Höfe, gestaltete man zu Ziergärten, deren Anblick man vom Innenbereich der Häuser aus genoss.

Zu gleicher Zeit hatte sich die Gartenkunst in China so entwickelt, dass philosophischen und religiösen Aspekten besondere Bedeutung zukam. Gärten sollten die Harmonie des Universums widerspiegeln und den Menschen zugänglich machen. Diese Bedeutung der Gärten als Orte der Einkehr und Erbauung findet sich in Europa später besonders ausgedrückt in den Parks und Englischen Gärten, die keinen Ertragszwecken, sondern allein dem ästhetischen Genuss zu Diensten sind und das Bild mancher Stadt bis heute prägen.

Andererseits gewannen auch die seit dem Mittelalter entstandenen Hausgärten im Zusammenhang mit der fortschreitenden Urbanisierung an Bedeutung. Sie lieferten auch in den Jahrhunderten der Industrialisierung einen wichtigen Beitrag zur Nahrungsmittelversorgung ihrer Besitzer. Das Wissen über den Gartenbau und die Verarbeitung der Ernteerträge wurde zu einem wichtigen Teil der Allgemeinbildung. Wer es sich leisten konnte, legte als Hobby-Botaniker sogar einen Themengarten an, in dem seltene, gesammelte Pflanzen gepflegt wurden.

Im Zusammenhang mit großräumigen Landschaftsgestaltungen werden seit dieser Zeit, also seit Beginn des 19. Jahrhunderts, Kulturlandschaften gestaltet, für die zunehmend ökonomische, ökologische, agrar- und forstwirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden. Daraus entstand schließlich das neue Berufsbild des „Landschaftsarchitekten”, als den sich vor rund zweihundert Jahren der Engländer Humphry Repton erstmals bezeichnete. Heutzutage spielt die Landschaftsarchitektur eine wichtige Rolle, wenn es in der sogenannten Freiraumplanung darum geht, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Siedlungsflächen und der Natur zu wahren. Die Folgen des Klimawandels verstärken überdies die Bedeutung von Maßnahmen zur Renaturierung, mit denen frühere Eingriffe des Menschen in die ökologischen Systeme zurückgebaut werden.

 

Der Garten als Abbild der Welt

Kritische Reflexionen über die ökologischen Folgen menschlichen Lebens begünstigen neuerdings den aktuellen Trend zur Entstehung von Gärten, die als bürgerschaftlicher Beitrag zum Erhalt der Biodiversität bewirtschaftet werden. Man weiß, dass die Welt mittlerweile in eine ausgesprochen heikle Lage geraten ist und folgt nun dem dringenden Bedürfnis, dem etwas entgegenzusetzen. Im sogenannten „Wildlife Gardening” geht es darum, Gartenflächen so zu gestalten, dass sie für Fauna und Flora ideale Lebensräume sind. Vorher penibel gepflegte Rasenflächen werden zu wilden Blumenwiesen umgestaltet, Insektenhotels aufgestellt und Komposthaufen angelegt. Büsche und Sträucher bieten Vögeln Quartier, und Mischkulturen, die gegen den Befall von Schädlingen resilienter sind, überzeugen überdies durch höhere Ernteerträge. Dabei sind solche Gärten nicht unbedingt groß. Das „Rewilding“ wird oft auf sehr kleinen Flächen, möglicherweise lediglich auf einem Vordach oder Balkon, durchgeführt. Und weil bemerkenswerterweise in privaten Gärten in Deutschland Gemüse und Obst überwiegend biologisch, d.h. unter Verzicht auf synthetisch hergestellte Pflanzenschutzmittel, Mineraldünger und Grüne Gentechnik, angebaut wird, entstehen immer mehr weitgehend giftfreie Lebensräume.

Mit solchen Gärten wird vor zeitgeschichtlichem Hintergrund auf besondere Art und Weise in kleinem Maßstab die Welt im Ganzen abgebildet, und zwar eine Welt, die ökologisch wieder intakt ist. Damit ist für die Entwicklung der Gartenkunst eine neue Etappe erreicht, die sich von den vorherigen signifikant unterscheidet. Es geht nicht mehr darum, die Natur im Garten nach den eigenen Vorstellungen zu formen, sondern darum alle Kenntnisse und Fähigkeiten darauf zu verwenden, Natur sich selbst sein zu lassen. Würde dieser Ansatz bis zu einem gewissen Grad zur bestimmenden, allgemeinen Kultur, könnte der Mensch einen wichtigen Beitrag zu einer ökologisch sinnvollen Fortentwicklung aller Daseinsformen leisten.

Tatsächlich ergibt sich in dieser Hinsicht noch ein weiterer interessanter Ausblick auf das Verständnis der Bedeutung des Gartens für den Menschen. In manchen alten Geschichten verschiedenster Kulturen wird der Garten als Metapher für die Lebenswelt eines Menschen gebraucht. So kann für die einen das Leben paradiesisch sein, während es für andere einem steinigen Acker gleicht. Ideen oder Worte können Samen sein, Menschen biografisch erblühen und reifen. Die einen werden als fest verwurzelt erlebt, die anderen möglicherweise von den Stürmen des Lebens gefällt.

Lässt man solche Metaphern auf sich wirken, kann der Radius menschlichen Willens tatsächlich als Garten oder als Acker des Lebens empfunden werden. Jeder Mensch würde demnach gärtnern, wann immer er lebt. Mit den Anfängen der Gartenkultur vor etwa 14.000 Jahren begann der Mensch eben nicht nur damit, an der Welt zu arbeiten, er hat damit auch zu jener Freiheit gefunden, die es ihm ermöglicht, sich selbst zu entwickeln. Beides, die Arbeit des Menschen an der Welt und diejenige an sich selbst, gehört offensichtlich zusammen. Was er im einen Bereich bewirkt, wird für den anderen immer folgenreich sein. Der Garten ist in diesem Sinne ein Abbild der Welt wie auch die Welt eines jeden Menschen ein Garten ist!

 

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Übersicht:

 

 

Inhalt

 

Einleitung

 

I. Allgemeines

 

1. Mutter Natur

Vom Wunder des Lebens | Der Mensch und die Natur | Das Ganze und die Teile | Der Mensch und sein Garten

 

2. Der Garten

Entstehung und Entwicklung der Gärten | Der Garten als Abbild der Welt | Gärten der Zukunft

 

3. Der Erlebnisraum

Der künstlerische Prozess | Gemeinsame Entwicklung von Mensch und Natur

 

II. Der Umweltkulturpark in Dortmund

 

1. Zugang zum Konzept der Permakultur

Rückkehr zum Natürlichen | Lebendige Vielfalt und Kooperation | Der Tanz mit der Natur

 

2. Tuschezeichnungen von Peter Krause: Florale Formen

 

3. Der Park in Dortmund

Leben und lernen in der Natur

 

4. Fotografien von Roman Jäkel: Umweltkulturpark in Dortmund

 

III. Der Chinesische Garten in Bochum

 

1. Zugang zum Konzept Chinesischer Gärten

Von den Ursprüngen chinesischer Gartenkunst | Natur als Quelle der Offenbarung | Den Garten erleben

 

2. Tuschezeichnungen von Peter Krause: Spiel der Gegensätze

 

3. Der Garten in Bochum

Im Pfirsichblütenland

 

4. Fotografien von Roman Jäkel: Chinesischer Garten in Bochum

 

Nachweis der Zitate

 

Literaturverzeichnis

 

Die Autoren